Am 8. Dezember beginnt, einer spontanen Eingebung von Papst Franziskus folgend, das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, und Stadtverwaltung und Sicherheitskräfte wissen nicht so recht, wie sie mit dem erwarteten Pilgeransturm fertig werden sollen. Schon jetzt sind Kirchen und U-Bahn-Stationen bewacht von Soldaten in Tarnanzügen, heute morgen patroullierte gar ein Polizeiwagen auf dem Fahrradweg am Tiber. Also am vermutlich friedlichsten Ort der ganzen Stadt.
So friedlich, dass die Gedanken wegfließen wie die trägen Wasser des Tibers, hin zum Heiligen Jahr 1350. Rom hatte damals nicht viel mehr als 20.000 Einwohner, nachdem im September 1349 ein Erdbeben die Stadt verwüstet und zwei Großkirchen weitgehend zerstört hatte – die Lateranbasilika und die St.-Pauls-Kathedrale. Der Papst befand sich in Avignon und machte keinerlei Anstalten, zum Jubeljahr in die alte Metropole des Westens zurück zu kehren, er beauftragte einen Kardinal mit den Eröffnungszeremonien. In das verödete und verlassene Rom strömten in den folgenden zwölf Monaten zwei Millionen Pilger.
Für 2016 rechnet man mit 11 Millionen. Wie es seit dem Mittelalter Usus ist, sollen sie Geld bringen – früher warf man seine Münzen ja direkt auf die Altäre, heute wird das alles etwas dezenter gehandhabt.
Unten, am Tiber, direkt unter der Engelsburg werden die Pilgerhorden von diesem Graffito empfangen:
Und gegenüber, am Brückenpfeiler, findet sich diese Pietà.
Pasolini trägt Pasolini. Gegen die Angst hilft Poesie wie die Sonne gegen die Herbstnebel. Auf dem Rückweg war das Polizeiauto dann auch schon wieder weg.