Heute werden kleine Italiener nicht mehr Ilario genannt, was schade ist, denn erstens klingt dieser Name sehr schön und zweitens bedeutet er „der Heitere.“ Und heitere Menschen trifft man leider auch in diesem schönen Land immer seltener.
Der Ilario in unserem Dorf war genauso so, wie es sein Name versprach, von einer freundlichen Gelassenheit. Seinen Nachnamen kannte kaum jemand, weil sich ja sowieso alle duzen. Auf dem Land braucht man keinen Nachnamen. Wenn man Ilario genauer bezeichnen wollte, reichte der Zusatz „il trattorista.“
Dabei war Ilario nicht einfach nur Traktorfahrer, sondern mit seinem Lamborghini nachgerade verwachsen.
Sommers wie winters thronte er auf seinem Gefährt, das nicht ganz so alt war wie er, aber doch schon ziemlich betagt. Nie begegnete uns Ilario zu Fuß, stets hatte er irgendwo eine Wiese zu mähen oder ein Feld zu pflügen bei Leuten, die sich einen eigenen Traktor nicht leisten konnten oder wollten. Und wenn er auf dem Lamborghini den Tiber überquerte, dann hieß es im Dorf: „Ilario ist heute im Ausland.“
Vor vielen Jahren kam Ilario auch zu uns und walzte den Olivenhain platt. Wenn er fertig war, pflegte er unter einer der Eichen am Rand des Hains stehen zu bleiben, im Schatten. Das war das Zeichen dafür, dass Ilario sein Werk getan hatte und nun gern ein Bierchen trinken würde. Wenn ich ihm das brachte, dankte er höflich, stieg aber nicht aus dem Sessel. Um Ilario vom Traktor runter zu bringen, raunten die Leute im Dorf, bräuchte es schon mehr als ein, zwei Flaschen Bier.
Irgendwann rammte er mit seinem Traktor unser Hoftor. Das war ihm so peinlich, dass er danach nicht mehr kam. Zu diesem Zeitpunkt war Ilario 87 und stocktaub. Ins Ausland fuhr er immer noch.
Zuletzt habe ich ihn vor einem Jahr gesehen, natürlich beim Landmaschinenschrauber. Ich erkannte ihn nicht sofort, ohne seinen Traktor. Ilario lächelte ein wenig schief mit seinen verbliebenen Zähnen, als ich ihn brüllend fragte, wie es denn so gehe. Wie soll es gehen, wisperte er, Signora, man wird nicht jünger. Aber es muss ja, es muss.
Seine Hände waren getränkt vom Maschinenöl, sein Gesicht zerfurcht von mittlerweile über 90 Sommern.
Am Mittwoch ist Ilario von seinem Lamborghini gestürzt. Ein abschüssiges Feld, ein Moment der Unachtsamkeit, vielleicht sogar ein kleiner Schlaganfall. Der Traktor fuhr dann ohne ihn weiter, das hat der Trattorista nicht überlebt.
An einem glühend heißen Nachmittag im Juli ist Ilario, der heitere Traktorfahrer so gestorben, wie er gelebt hat: Aus dem Sattel gefallen, mit 93 Jahren.