Im Internet wird jetzt Eseltraining für Führungskräfte angeboten. Wer einen sturen Esel auf Trab bringt, so die These, der könne auch seine Leute besser antreiben. Eine geniale Idee. Und ich Freak dachte, Eselmist sei das Geschäft meiner Zukunft! Dabei wäre es natürlich viel lustiger, den Erfolgreichen bei ihren Versuchen zuzuschauen, meine Esel vorwärts (oder sogar rückwärts, Kleinigkeit!) zu bewegen, mit Aufpreis darf auch der Stall ausgemistet werden. Ich könnte den KundInnenkreis beschränken auf Chefredakteure und Redaktionsleiter aus, sagen wir, Hamburg und München und hätte den Spaß meines Lebens. Im Gegensatz zu den Internet-Eseln sind meine nämlich nicht über Jahre vortrainiert. Weil ich nicht so der Erziehungs- und Dressur-Typ bin, konnten meine Esel bislang machen was sie wollten. Seit 6000 Jahren müssen Esel für den Menschen arbeiten, bei uns war Otium angesagt.
Da rauft sich natürlich jeder Eselexperte die Haare. Aber auf Eselexperten habe ich ungefähr so viel gegeben wie auf ExpertInnen der Kindererziehung. Sie haben mich schlicht nicht besonders interessiert.
In der langen Quarantäne jedoch kommt man auf abseitige Gedanken. Einer davon ist: Wie wäre es eigentlich, mal mit Lotti spazieren zu gehen? Über Stock und Stein, hügelauf, hügelab? Lotti heißt eigentlich Charlotte und ist mit ihren sieben Jahren die Jüngste der Familie. Schokobraun, großäugig, tolle Figur, eine Schönheit. Sehr verschmust. Und wahnsinnig stur.
Lotti will nicht von mir geführt werden, Lotti will hinter mir her schlurfen. Das findet sie ganz toll. Aber am Halfter angefasst, gar gezogen werden? Lästig! Beleidigend! Fasse ich sie am Halfter, bleibt Lotti stehen und schaut demonstrativ durch mich hindurch. Lasse ich sie los, wartet sie auf die nächste Streicheleinheit. Dann erst setzt sie sich in Bewegung.
Okay, dachte ich, es dauert vielleicht doch noch eine Weile mit dem gemeinsamen Spaziergang. Aber irgendwann wird sie es kapieren. Fehler! Lotti hat natürlich längst kapiert, was sie tun soll. Neben mir her laufen, versteht doch jeder Esel. Sie WILL aber nicht, denn sie weiß nicht, was das jetzt soll. Ganz schlimm wurde es, als ich mit dem Seil auf die Weide trat. Mademoiselle begab sich spontan in den Galopp. Bloß weg hier! Wer weiß, was das für ein Folterinstrument ist! Nach nur drei Tagen hat sie verstanden, dass das Seil nicht gefährlich ist. Jedenfalls auf Abstand. Für’s Anlegen brauche ich vermutlich noch mal eine Woche, konservativ geschätzt. Wenn ich es jetzt versuche, zieht sie sich unter den Holunderbusch zurück und schmollt.
Im Gegensatz zu Menschen muss man, merke dir das, Führungspersönlichkeit! Esel überzeugen, Dinge zu tun. Nicht vollquatschen oder gar anbrüllen: überzeugen. Es sei denn, natürlich, man zwingt sie mit roher Gewalt. Dreht ihnen die empfindlichen Ohren um oder prügelt sie. Für alles jenseits der Körperverletzung und Tierquälerei gilt: Ein Esel ist weder ein Hund noch sonst ein untergebenes Wesen und deshalb auch kein Befehlsempfänger. Ein Esel ist übrigens auch kein Pferd. Mit Pferden konnten Menschen über Jahrtausende in den Krieg ziehen – ein Esel würde den Teufel tun, sich auf ein Schlachtfeld peitschen zu lassen. Der geht ja noch nicht mal über eine Brücke. Esel sind die vorsichtigsten Tiere. Ganz große Skeptiker. Im Zweifel einfach stehen bleiben.
Die Führungspersönlichkeit meiner Lotti zu werden, ist deshalb eine riesige Herausforderung. Im Moment sieht es eher umgekehrt aus.