Rome again

Piazza Vittorio, um sechs Uhr nachmittags, Parkplatz direkt vor dem Haus. Scheint also keiner da zu sein. Außer einer Gruppe von Männern, mittelalt, alle mit Bierflasche, schon ein bisschen angezwitschert. Ich lade das Auto aus, komme zurück, um die Auflaufform vom Beifahrersitz zu holen.

„Aho, Signò“ sagt einer, „Signora“ ist gemeint. „Haben Sie Lasagne gemacht oder was?“ Ich murmele nein, er hört mich nicht hinter meiner Maske. „Signò, Lasagne?“ – Da stößt ihn der nächste an: „Dottoressa???“

Rome again. Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe. Steht alles noch. Andererseits ist auch einiges passiert.

Die Wahrsagerin unten zum Beispiel, ist schon auf dem neuesten Stand. Das „Vergangenheit gratis“-Schild hat sie abgebaut, wer will schon zurück schauen, in diesen Zeiten, no grazie, auch nicht für umsonst. Stattdessen: Plexiglasbarriere, zwischen zwei fetten Zylindern. Und Telefonservice.

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Die chinesische Weinhandlung hat jetzt draußen Tische aufgestellt, das Café daneben sich verbreitert. Es gibt ja Platz genug unter den Arkaden.

Rom ist leer. So leer. In Deutschland scheint man das ja toll zu finden, die leeren italienischen Städte. Venedig leer! Nix wie hin. Florenz! Nur wir auf dem Ponte Vecchio, super! Im Grunde sind die Deutschen Waldmenschen geblieben, vermutlich die einzigen auf der Welt, die auch in der Stadt nur die Vögel zwitschern hören wollen.

Auf der Piazza Vittorio haben die grünen Papageien schon vorher den Verkehrslärm übertönt. Jetzt hört man auch die Mauersegler. Der Hinterhof ist so, sagen wir: lebendig wie eh und je. Die eine Bangla-Familie fängt um Punkt zehn Uhr morgens an mit der großen Knoblauchrösterei, die andere kocht gegen 23 Uhr interessanterweise ganz ohne Knofel. Der Mark erschütternde Husten des Alten von gegenüber ist hunderprozentig nicht Corona und wird konsequent weiter am offenen Fenster verabschiedet. Der eine Nachbar schaut den ganzen Tag RAIuno, die andere, mit Radio Maria, ist verstummt.

Unterwegs, in der Nacht, ist man wirklich ganz allein. Die Via Urbana, sonst eine swingende Kneipenstraße: menschenleer. Der angesagte Eissalon im Ausgehviertel Monti: geschlossen. Es ist so still in den Straßen der alten Suburra und die Stille sagt, hier wohnt niemand mehr. Alles Ferienwohnungen und keiner zu Hause. Nur auf der Piazzetta hängen Trauben von jungen Römern, aus einem Pub hört man sogar Englisch. Keiner trägt Maske.

Und dann biege ich auf die Via dei Fori Imperiali, die Aufmarschstraße zwischen Kolosseum und Piazza Venezia. Sonst um Mitternacht eine Garantie für Tote Hose, wer guckt schon um diese Zeit Ruinen? Aber heute ist was los, Lachen, Schreien, Gedränge. Römische ragazzi sausen, von ihren Freundinnen angefeuert, um die Wette auf den E-Rollern, die von der Stadtverwaltung überall im Zentrum für Touristen aufgestellt werden.

Und die albernen Roller sehen auf einmal gar nicht mehr so albern aus. Sie verleihen der frischen Juninacht jene Leichtigkeit, die sie verdient hat.

Rome again.

 

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