Bus-Tribunal

Auf der 64er Linie zwischen Vatikan und Bahnhof Termini fahren die meisten Touristen und die meisten Diebe. Beides steht seit Ewigkeiten fest und wundert keine(n) Eingeborenen. Man wappnet sich einfach für die Fahrt mit dem 64er mit ausklappbaren Stacheln an den Ellenbogen, Stiefelsporen und am besten auch noch mit einem kleinen Sauerstoffvorrat, die Luft ist nämlich zum Schneiden.

Und dann passiert in so einem gestopft vollen 64er halt, was passieren muss: Einer Dame  aus den Niederlanden, die nah an der Fahrerkabine steht, wird kurz nach der Haltestelle an der Piazza Venezia die Geldbörse gemopst. Die Dame schreit, aber nicht so laut, viel inbrünstiger schreit der Römer neben ihr, der erstens die Gelegenheit nutzt, den Kavalier zu spielen und zweitens, zu beweisen, dass nicht alle Römer Diebe sind, sondern die anständigsten Menschen. Dazu möchte er jetzt ein Exempel statuieren, das sich gewaschen hat.

„Halt an und ruf‘ die Polizei!“ brüllt der Römer in Richtung Busfahrer. „Wir haben einen Dieb!“ Von dem man übrigens nichts hört und sieht, wahrscheinlich ist er ziemlich klein und befindet sich bereits geknebelt im Polizeigriff des selbsternannten Ordnungshüters.

Der Busfahrer fährt erstmal stur weiter. Könnte ja jeder kommen. Auf der Via Nazionale, an der nächsten Haltestelle bringt er den Bus zum Stehen. Die Türen bleiben geschlossen. Zwei Minuten, fünf Minuten, zehn Minuten.  Das Publikum hinten vor dem Ausstieg tobt.

„Sollen wir etwa warten, bis die Bullen kommen?“ ruft ein junger Mann mit Bart. „Der hat das Portemonnaie doch längst zurück gegeben. Also geht uns nicht auf den Sack!“

„Mamma mia, sogar zum Klauen sind sie heute zu blöd“, stöhnt ein Signore im Kamelhaarmantel. „Mein Gott, der lässt sich erwischen und wir stehen uns hier die Beine in den Bauch. Also, das konnten sie früher besser.“

„Was wird das hier? Geiselnahme?“, zetert eine Frau mit Einkaufstüten. „Das hier ist der 64er, da wird halt geklaut. Muss man sich deshalb so anstellen?“

Der wackere Diebesfänger ist verstummt. Der Fahrer schweigt sowieso. In Minute 12 macht er die Türen auf. Die Polizei ist nicht gekommen. Aber als der Bus weiter fährt, ist der Dieb noch drin.

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