„House of Gucci“ werde ich mir nicht ansehen. Un’americanata, wie wir Römerinnen sagen. Aber weil man allenthalben über die Rezensionen stolpert, fiel mir ein, dass ich ja mal den Gucci-Mörder getroffen und gesprochen habe. Vor Jahren, auf der Gefängnisinsel Gorgona (hier entlang zum alten Post), die Reportage erschien dann im Zürcher „Tagesanzeiger„.

In diesem Lagerraum traf ich Benedetto Ceraulo bei der Arbeit an. Er war dort als Kellermeister für den Florentiner Weinunternehmer Lamberto Frescobaldi im Einsatz. Ein drahtiger Mann mit einem fein geschnittenen Gesicht und einer ruhigen, überlegten Art. Saß da und hielt sich die Wange, in die ihn gerade eine Wespe gestochen hatte. Ich fragte ihn nach seinem Beruf, das erste, was mir einfiel. Man kann nicht einen Menschen mit dem ersten Buongiorno nach seinem Verbrechen fragen, so geht das nicht. „Sagen wir: Maurer.“ Aber als Maurer wurde Ceraulo nicht bekannt, sondern als Killer des Modeunternehmers Maurizio Gucci. Im März 1995 tötete er Gucci vor dessen Mailänder Wohnung mit drei Schüssen in den Nacken und einem ins Gesicht. Auftraggeberin für den Mord war Guccis Ex-Frau, die dem Killer angeblich 500 Millionen Lire gezahlt hatte, umgerechnet etwa eine Viertelmillion Euro. Den letzten Teil seiner lebenslänglichen Haftstrafe (28 Jahre) verbüßt Ceraulo auf der Gefängnisinsel Gorgona, der letzten ihrer Art in Italien und ganz Europa.
Auf Gorgona arbeiten die Gefangenen täglich sechs Stunden, von sieben bis 13 Uhr, in der Landwirtschaft. Das dient auch ihrer Selbstversorgung. Sie melken Kühe, Ziegen und Schafe, sie schlachten ab und zu ein Schwein. Sie versorgen den großen Gemüsegarten hoch über dem Meer, den Salat, die Paprika, Kohlköpfe, Tomaten, Kartoffeln, Auberginen und Artischocken. Sie backen Brot aus dem Hartweizenmehl, das vom Festland gebracht wird. Sie produzieren ihr eigenes Olivenöl und Käse auch für andere Haftanstalten. Der Lohn: Fünf Euro die Stunde.
Seit Lamberto Frescobaldi 2012 zwei Hektar Land zum Weinbau übernahm, wird auf Gorgona auch Vino hergestellt, zunächst nur Weißer, neuerdings auch Roter. Der Weiße ist ein schöner, runder Sommerwein und mit rund 70 Euro pro Flasche natürlich maßlos überteuert. Die Herstellung auf der Insel, erklärte der Marchese, sei derart kompliziert, dass die Kosten gerade gedeckt würden.
Zum Mittagessen auf Gorgona hatte Frescobaldi damals einen anderen Weißwein mitgebracht. Ein Gefängniswärter hatte für uns gekocht, es gab Pasta mit Hummer und danach Thunfisch, alles selbstgefischt aus dem unfassbar blauen Meer um die Insel. Es war das definitiv beste Fischessen meines Lebens und es ist mir stärker ins Gedächtnis eingebrannt als die Begegnung mit dem Gucci-Killer – was daran liegt, dass Frescobaldi mich erst auf der Rückfahrt im Polizeiboot über die Vergangenheit seines Mitarbeiters aufklärte: Löblich. Ich hätte ihn allerdings sowieso nicht danach gefragt.
An Benedetto Ceraulo wird der Hype um den Lady-Gaga-Blockbuster vorbeigehen, wenn er denn noch auf der Insel ist. Es gibt kaum einen besser abgeschotteten Ort als Gorgona, erst recht im Winter. Man ist da wirklich komplett aus der Welt.
